How Will We Live Together? – Die Architekturbiennale in Venedig


Exkursion im Rahmen des Masterseminars, 14.-19. September 2021

Eigentlich hätte sie schon vor einem Jahr stattfinden sollen, die Exkursion nach Venedig. Doch da die Biennale wegen der Pandemie mehrfach verschoben wurde, konnten wir unsere Reise erst jetzt antreten. 27 Studierende waren dabei. Neben denen, die am vorbereitenden Seminar im Sommer 2021 teilgenommen hatten, waren das auch fünf Teilnehmerinnen des Forschungsseminars aus dem Sommer 2020, sowie aktuelle Teammitglieder der a*komm und einige Gäste.

Das Programm war intensiv: An drei Tagen wollten wir die Stadt Venedig in ihrer ganzen Vielschichtigkeit so genau wie möglich erkunden. Dabei geht es vor allem um die Erfahrung der spezifischen Struktur der Stadt und die Frage, wie sich die räumlichen Typologien, die sich in Jahrhunderten entwickelt haben, auf diese auswirken. Die Zusammenhänge zwischen Öffnung und Schließung, Privatheit und Öffentlichkeit zwischen akustischer und visueller Wahrnehmung, Bewegung und Orientierung zu Land und zu Wasser, der Einfluss von Proportion und Material, all das will ausführlich erfahren und beschrieben sein. Neben diesem einzigartigen stadträumlichen Gesamterlebnis scheinen die architektonischen Einzelleistungen von Andrea Palladio, Carlo Scarpa und den anderen Großmeistern der venezianischen Architektur fast zu verblassen, gleichwohl entfalten sie ihre Wirkung ja gerade dadurch, dass sie den bestehenden Kontext so intelligent aufnehmen wie kreativ transformieren. Auch in dieser Hinsicht kann Venedig trotz seiner Einzigartigkeit bis heute als vorbildlich betrachtet werden und Anregungen für die gegenwärtige und zukünftige Praxis der Architektur bieten.

Das gleiche sollte auch für die Biennale gelten, der die beiden anderen Tage gewidmet waren. Mit dem Titel „How Will We Live Together?” hatte Hashim Sarkis, der diesjährige Direktor, die Latte sehr hoch gelegt. Das Erlebnis in den Giardini und im Arsenale konnte nach allgemeinem Eindruck diesem Anspruch nur eingeschränkt gerecht werden. Während die Analyse der behandelten Probleme allzu häufig in ihrer ganzen Komplexität unverhüllt auf die Besucher*innen hereinbrach und zum Gefühl totaler Überwältigung und infolgedessen Machtlosigkeit führte, schienen die vergleichsweise wenigen Bewältigungsversuche oft von fast rührender Schlichtheit und Bescheidenheit. Die Diskrepanz zwischen beiden Ebenen hinterließ wohl nur bei wenigen Teilnehmer*innen das Gefühl, nun genauer zu wissen, wie man als Architekt*in den enormen Herausforderungen von Klimawandel, Sozialer Ungleichheit, Digitalisierung etc. begegnen könne.

Aus Sicht der Architekturkommunikation kann man konstatieren, dass der Anteil der Ausstellungen und Exponate, die auf Verstehen und Nachvollziehbarkeit, ggf. sogar für ein nichtfachliches Publikum, setzen, weiter zurück gegangen ist. Es überwiegen Inszenierungen, die beeindrucken, irritieren und überwältigen sollen, und die im besten Falle per QR-Code die Möglichkeit zur häuslichen Nacharbeit bieten, was angesichts der teilweise überkomplexen zugrunde liegenden Forschungsprojekte durchaus die zwei Jahre bis zur nächsten Biennale in Anspruch nehmen könnte. Genaueres zu diesen Fragen werden wir sagen können, wenn die empirischen Daten, die wir wie seit 2014 bei jeder Ausgabe der Biennale erhoben haben, ausgewertet und interpretiert wurden.


Hörempfehlung:

Zuerst auf die Biennale mit "Why can’t we live together" (Sade, 1984) und danach zur Entspannung "Incognito down the Lido" mit "Do the Strand" (Roxy Music, 1972)

Alle Fotos: Marie Luisa Jünger